PROJEKT 2021

DIE GESCHICHTE UND GESCHICHTEN ENTLANG EINER FAST VERGESSENEN GRENZE

Nach vielen globalen Abenteuern in den letzten Jahren, hatten wir lange überlegt, ob und wenn ja wie wir in diesen Zeiten weitermachen. Die ständig zunehmende Anzahl an Bikern (vor allem E-Biker), lässt das Interesse an unseren Projekten kontinuierlich wachsen. Deshalb haben wir uns, frei nach dem Motto "Warum denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah", etwas einfallen lassen. Es sollte diesmal ein heimatnaher und geschichtsträchtiger Rundkurs mit zwei Schwierigkeitsstufen (leicht und anspruchsvoll) werden. Und was lag da näher, wie den historischen Grenzverlauf des Hinterlandes, der von der Mitte des 17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts Bestand hatte, zu erforschen. Schon im ausgehenden Mittelalter waren die Territorialgrenzen in vielen Bereichen in groben Zügen definiert. Wir hingegen konzentrieren uns auf das Zeitfenster zwischen 1648, also nach dem dreißigjährigen Krieg mit dem resultierenden Westfälischen Frieden und der politischen Neuordnung 1866, die der Niederlage Napoleons und dem Wiener Kongress 1815 folgte. Es waren also auch hier, wie so oft, Kriege, die in einigen Abschnitten noch einmal deutlichen Einfluss auf die Grenzverläufe des hessischen Hinterlandes nahmen. Die zahlreichen und von regionalen Obmännern liebevoll dokumentierten und gepflegten Grenzsteine bilden dabei den Roten Faden. Und so lautet der Titel unseres Projektes 2021: "Die Geschichte und Geschichten entlang einer fast vergessenen Grenze" .

HISTORISCHE GRENZSTEINE

DIE GRENZE DES HISTORISCHEN HINTERLANDES

Viele dieser Steine, die im Norden von Bromskirchen bis in den Süden nach Hermannstein reichen, bezeugen und erzählen heute noch sichtbar Geschichte. Seit dem letzten Herbst recherchieren wir nun schon coronagerecht den genauen Verlauf des über 200 km langen anspruchsvollen MTB Rundkurses, bei dem nicht nur die historischen Wegemarkierungen Thema sein werden. Dabei wickeln wir unsere seit über 20 Jahren obligatorischen Arbeitsmeetings mittlerweile auch schon mal virtuell ab. Die Position aller der über 900 Markierungen sind definiert und per GPS Datentechnisch erfasst. Tatkräftig wurden und werden wir dabei, neben vielen Geschichtsexperten wie z.B. Jürgen Daum aus Eibelshausen, Heinz Blöcher aus Roth sowie Magister Dr. Eva Bender entlang des Grenzverlaufes, auch von Stefan Blöcher, den Auszubildenden und der Leiterin des Amts für Bodenmanagement in Marburg Frau Flecke unterstützt. Auch bei unserem aktuellen Teamfoto ließ uns die Pandemie kreativ werden. Da ein Gruppenfoto nicht möglich war, wurden 5 Einzelaufnahmen der Biker mit „ihren“ heimatnahen Steinen fotografiert. So entstand ein ganz besonderes Gruppenbild.

Matthias Stein N – H Nr. 21A (Grenze Nassau - Hessen Darmstadt) nahe seiner Wurzeln in Hirzenhain auf dem Hornberg (Simmersbach) ist ein ganz besonderer Stein. Erstversteinerung 1668 und bis heute noch das „Original“

Harrys Stein N – H Nr. 34 (Grenze Nassau – Hessen Darmstadt) Angelburg- Frechenhausen nahe seines Wohnortes Gönnern (Erstversteinerung 1668, Versteinerung 1839)

Ulis Stein N-H Nr.13B (Grenze Nassau – Hessen Darmstadt) nahe seines Wohnortes Eschenburg Roth am Staffelböll bei Simmersbach (Erstversteinerung 1668, Versteinerung 1722)

Siggis Stein H-W Nr. 5 (Grenze Wittgenstein - Hessen Darmstadt) “ auf dem Didoll in der Gemarkung Richstein. nahe seines Wohnortes Wallau. (Erstversteinerung 1668, Versteinerung 1724)

Jörgs Stein N-H Nr. 20 (Grenze Nassau - Hessen Darmstadt) Auf dem Hornberg (Erstversteinerung 1668, Versteinerung 1839) nicht weit von seinem Wohnort Oberhörlen

KURIOSES

INTERESSANTE GESCHICHTEN AM RANDE DES GRENZVERLAUFES

Von 1611 bis zu den o.g. Erstversteinerungen führte die Grenze sogar durch ein Wohnhaus (genannt das Haus des Henne Weigels) in Simmersbach. Der nachfolgende Ausschnitt aus der Karte „Augenschein“ aus dem 16 Jhdt. zeigt neben dem Grenzverlauf mitten durch besagtes Haus (Punkt G) übrigens auch den Ort Lixfeld.

Übrigens wurde schon im 13. Jahrhundert Jakob von Troyes, der spätere Papst Urban der IV, in der Grenznähe unter der Beteiligung des Eckhard von Bicken entführt und gefangen gehalten.

Auch der Tatort, des durch Volker Schlöndorff berühmt gewordenen Postraubes der armen Leute von Kombach, wurde durch diese Grenze definiert.

Hartnäckig hält sich noch immer das Gerücht, dass in Zeiten der Leibeigenschaft im Breidenbacher Grund von dem Recht der ersten Nacht (Ius primae noctis) Gebrauch gemacht wurde, ohne dass es nach unserer bisherigen Kenntnis dafür Belege gibt.

Nahe Niederweidbach soll es der Sage nach einen Grenzstein geben, der sich angeblich nachts um 180° dreht.

Zahlreiche Beauftragte der Landesmiliz mussten aufmarschieren, um einen durch einen Kornraub an der strittigen Grenze ausgelösten „Beinahekrieg“ mit Sensen und anderen „Gewehren“ zwischen Roth und Eibelshausen zu verhindern.

Schon damals wurde an einigen neuralgischen Punkten Richtplätze (Galgenberg in Oberhörlen, oder Nähe Hartenroth unterhalb vom "Rath", dort wo die Salzböde entspringt) errichtet. Weit sichtbar dienten die Delinquenten noch lange nach ihrer Hinrichtung als respekteinflößende Abschreckung, um klar zu machen, dass dort Zucht und Ordnung herrscht.

Der Wiener Kongress hatte übrigens auch zur Folge, dass sich die benachbarten Orte Vetzberg und Rodheim nun in zwei unterschiedlichen Länder wiederfanden und man zur Kirche oder zur Schule ins „Ausland“ reisen musste.

Einem gut beleibten Räuber einer Diebesbande, die während dieser Zeit ihr Unwesen zunächst im Raum Bischoffen trieb, wurde bei der Flucht über die Grenze in einer Mühle im Raum Mandeln sein Bauchumfang zum Verhängnis. Er wurde gefasst, nachdem er im Backofen stecken geblieben war.

Das sind die Orte und Geschichten, die wir entlang der Grenze suchen und dokumentieren wollen.